Hugh Hefner: "Playboy"-Gründer mit 91 Jahren gestorben - Lebenslang Lebemann (2024)

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Dass der hagere Buchhaltersohn dereinst zur Inkarnation sexueller Freizügigkeit werden sollte, war ihm nicht in die Wiege gelegt. Und dennoch wurde Hugh Marston Hefner, geboren am 9. April 1926 in Chicago als Kind streng religiöser Eltern, zu dem Mann, der "Sex in Amerika revolutionierte", wie die "New York Times" einmal schrieb.

Hefner wächst als älterer zweier Brüder in einer Methodisten-Familie auf. Die Eltern erziehen ihn puritanisch: kein Alkohol, kein Glücksspiel, kein vorehelicher Sex. Und kaum eine Geste der Zuneigung. Rückblickend sagte Hefner, seine Eltern seien unfähig gewesen, ihm Liebe zu zeigen. Vater Glenn arbeitete später zwar im Unternehmen seines Sohnes als Buchhalter. Aber die Fotos, sagte der Senior, habe er sich nie angeschaut.

Gegen den elterlichen Moralkodex rebelliert er zunächst nur auf dem Papier: Als Psychologiestudent setzt er sich in einer Seminararbeit mit den Sittengesetzen der USA auseinander. Und stellt fest: hom*osexualität, fellati*, Analverkehr - so ziemlich alles außer der ehelich verbrieften Missionarsstellung steht in den meisten Bundesstaaten unter Strafe. " Das kam mir schon damals vollkommen irrational vor", erinnert er sich Jahrzehnte später. "Bei korrekter Anwendung der Gesetzgebung hätten die meisten Männer wegen ihrer Sexualpraktiken Gefängnisstrafen verbüßen müssen."

Video: Playboy-Erfinder Hugh Hefner ist tot

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Hefner selbst folgt vorerst dem Pfad der Tugend: 1949 heiratet er seine Kommilitonin Mildred Williams. 1952 und 1956 kommen seine Kinder Christie Ann und David Paul zur Welt. Seine Familie ernährt er als Werbetexter und Illustrator für die Zeitschrift "Esquire". Bis er sich Geld von Freunden und Bekannten leiht, um seine eigene Zeitschrift zu gründen.

Spielkameradinnen statt gefallene Mädchen

Die Erstauflage von rund 50.000 Exemplaren im November 1953 ist in wenigen Tagen ausverkauft - vor allem, weil der Magazintitel "die berühmte Marylin Monroe nackt" verspricht. Im Heft räkelt sich die Monroe auf rotem Satin. Das Foto, Jahre vor Monroes Durchbruch in Hollywood entstanden, ist der Grundstein für Hefners ökonomischen Erfolg.

Im dritten Erscheinungsjahr rekrutiert Hefner eine Mitarbeiterin aus der Abonnement-Abteilung für das "Centerfold" - die ausfaltbare Mittelseite, die zum Markenzeichen des "Playboy" wird. Das Foto wird zum Prototyp des "Girl Next Door"-Konzeptes, das die "Centerfolds" prägt.

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Zum Tod von Hugh Hefner: Der letzte Playboy

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HO/ AFP

Nackte All-American-Girls im Wohnzimmer, in der Küche, im Garten - zu Zeiten, in denen vorehelicher Sex nur im Puff oder im Geheimen stattfindet, ist das eine Provokation. Im puritanischen Amerika sind junge Frauen entweder tugendhaft oder "gefallene Mädchen". In Hefners sinnenfrohem, libertären "Playboy"-Universum dagegen dürfen sie immerhin "Playmates" sein, also "Spielkameradinnen".

In den frühen Jahren machen christliche und konservative Fundamentalisten Hefner das Leben schwer. 1955 muss er einen Prozess gegen die Post führen, die den "Playboy" nicht verschicken will - er gewinnt. Im selben Jahr gibt er sein erstes TV-Interview. Verschmitzt lächelnd lässt er die Vorwürfe des Moderators über sich ergehen, er verbreite Schund und eine ungesunde Haltung zum Sex. "Wir halten das für eine ziemlich gesunde Haltung", antwortet Hefner.

Sprachrohr gegen Rassismus und Rassentrennung

Auch politisch bezieht Hefner mit dem "Playboy" von Anfang an Stellung. Er veröffentlicht Ray Bradburys antitotalitäre Erzählung "Fahrenheit 451", eine düstere Sci-Fi-Kritik am Amerika der antikommunistischen McCarthy-Ära. In seiner TV-Show "Playboy's Penthouse" - Ende der Fünfziger bis Anfang der Sechziger überregional ausgestrahlt - begrüßt er Künstler, die im Mainstream-Amerika verfemt sind.

Als die Auflage Anfang der Sechziger die Zwei-Millionen-Marke überschreitet, lässt er eine spektakuläre Villa in Chicago bauen. Wohnzimmer mit Falltür zum Swimmingpool, die gepolsterte "Liebesgrotte" hinter dem Wasserfall: Hefners "Playboy Mansion" wird zum Inbegriff gepflegter Ausschweifung, zur Projektionsfläche für Amerikas Träume von Luxus und zügellosem Sex. Hefner, seit 1959 geschieden, lebt vor, was sich Millionen von männlichen US-Amerikanern erträumen: Mit mehr als tausend Frauen habe er geschlafen, resümiert Hefner in seinen späten Jahren.

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Nackt im "Playboy": Deutschlands erstes Mal

Foto: Playboy

1964 gründet Hefner die "Playboy"-Clubs, in denen als "Bunnys" ausstaffierte junge Frauen mit Hasenohren, Korsett und Puschel servieren. Um reinzukommen, müssen die Gäste zuvor einen Schlüssel kaufen - der erste Playboy Club in Chicago hat kurz nach Eröffnung schon über hunderttausend Mitglieder. In Miami und New Orleans eröffnen Gastronomen "Playboy"-Clubs in Lizenz - doch Hefner stößt sich an der Einlasspolitik. Weil die Lizenznehmer Afroamerikaner an der Tür abweisen, übernimmt der "Playboy"-Konzern selbst die Clubs.

Auch den "Playboy" macht Hefner zum Organ gegen Rassismus und Rassentrennung. Die Interviews des afroamerikanischen Autors Alex Hailey ("Roots") - unter anderem mit Miles Davis, Muhammad Ali, Martin Luther King und George Lincoln Rockwell, Führer der US-Nazi-Partei - werden zum Markenzeichen der Zeitschrift. "Ich will in einer Gesellschaft leben, in der Menschen unpopuläre Meinungen äußern können, weil ich weiß, dass eine Gesellschaft daran wächst und reift", sagt Hefner in einer Talkshow.

Pazifismus und Die-Puppen-tanzen-Lassen

Mit seiner Stiftung unterstützt Hefner Initiativen gegen die Todesstrafe, für hom*osexuelle, gegen den Vertrieb von Schusswaffen, für die Legalisierung von Marihuana und gegen das Verbot von Verhütungsmitteln. Mit seinem Privatflugzeug lässt Hefner Kriegswaisen aus Vietnam holen. Im "Playboy" erscheint eine Fotostory, in der leichtbekleidete "Bunnys" vietnamesischen Babys auf dem Flug Fläschchen geben. Pazifismus und Die-Puppen-tanzen-Lassen, Macho-Lässigkeit und Bürgerrechte - bei "Hef" geht das alles prächtig zusammen.

Mitte der Siebziger liegt die Auflage bei sechs Millionen - doch die Konkurrenz erstarkt. "Penthouse" zeigt 1970 zum ersten Mal Nacktfotos inklusive Schamhaar und überschreitet damit die Grenze zu dem, was in den USA rechtlich als p*rnografisch gilt. Neun Monate später zieht der "Playboy" nach. Der Publizist Larry Flint entscheidet 1974 die Schamhaar-Kriege: Sein "Hustler" zeigt einfach alles.

Die Marke Playboy verliert an Glanz. Die Geschäfte mit einem Schallplattenlabel, einer Hotelkette und allerlei Bunny-Accessoires machen Millionenverluste. Und auch die "Playboy Clubs" verlieren an Glamour. 1975 schreibt der SPIEGEL, Hefners Playboy Imperium sei "hoffnungslos am Sex der Siebziger Jahre vorbeikonzipiert".

Hefner reagiert mit offensiver Unbescheidenheit auf die Krise. Er zieht von Chicago nach Los Angeles, in ein noch weitläufigeres, noch luxuriöseres Domizil. Die "Mansion West" soll zum werbeträchtigen Mekka der Wollust werden - und zum Spielplatz der Hollywoodstars. 2016 wird das Anwesen für 100 Millionen Dollar verkauft; Hefner erhält aber ein Wohnrecht auf Lebenszeit.

Das Imperium wankt

Der Umzug nach LA kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der fortschrittliche Nimbus schwindet - die aufkommende Frauenbewegung beginnt dem "Playboy"-Imperator zuzusetzen. Sexuelle Befreiung? Darüber könne man ja reden, "wenn Sie bereit sind, hier mit einem Puschelschwanz am Hintern aufzutreten", sagt ihm eine feministische Aktivistin bei einer Talkshow Mitte der Siebziger.

Anfang der Achtziger ist die "Playboy"-Auflage auf fünf Millionen abgesunken - Tendenz fallend. Um sein kostspieliges Imperium halten zu können, setzt Hefner auf das Glückspiel-Geschäft. Mit seinen Spielkasinos in England und den USA fängt er die Defizite auf, die die Hotels und Playboy Clubs machen.

1982 übernimmt Hefners Tochter Christie die operative Leitung des Playboy-Konzerns. Als bekennende Feministin versucht sie erfolglos, die weiblichen "Bunnies" mit männlichen "Rabbits" zu ergänzen. Doch mit dem Umbau hat die studierte Anglistin Erfolg: Sie führt Playboy Enterprises aus der Verlustzone.

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Tod von Hugh Hefner: Die Hasen tragen Trauer

Foto: Rolls Press/Popperfoto/Getty Images

Die Zeitschrift allerdings verliert weiter an Bedeutung. Im Puritanismus der Reagan-Ära gelingt es Sittenwächtern und fundamentalistischen Christen, das Magazin aus den Regalen von Discountern wie "7-Eleven" zu verbannen - eine "schwarze Liste" von Supermärkten und anderen Verkaufsstellen, die Erotik-Magazine vertreiben, zeigt Wirkung. Hefner antwortet mit einer Bildstrecke von unbekleideten weiblichen "7-Eleven"-Mitarbeiterinnen.

Im Sommer 1986 machen die letzten drei Playboy Clubs in New York, Los Angeles und Chicago dicht, nur ein paar Lizenz-Clubs außerhalb der USA und in ländlichen Gebieten bleiben übrig. "Die Playboy-Bunnies sind eine Sache der Vergangenheit", erklärt Hefner auf der Abschiedsparty. Es sei jetzt an der Zeit, "die Sache hinter sich zu bringen."

Die Achtziger und Neunziger seien "eine dunkle Periode" gewesen, sagt Hefner später. In dieser Zeit sucht er Halt in der Ehe. Im Sommer 1989 heiratet er Kimberley Conrad, Playmate in der Januar-Ausgabe 1988. Zwei Söhne kommen zur Welt, Marston und Cooper.

Vom Patriarchen der sexuellen Befreiung zum wunderlichen Greis

Es sollte nur eine Episode bleiben. Ende der Neunzigerjahre trennen sich Conrad und Hefner, die Ex bezieht mit den Kindern eine Villa neben der "Mansion". Statt "Achtung, Kids at play!" steht "Achtung, Playmates at Play!" auf einem Schild im Garten. Die Staffa*ge kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die große Zeit des "Playboy"-Universums vorbei ist. Aus dem großen Patriarchen der sexuellen Libertinage ist ein wunderlich vitaler Greis geworden.

Seine Neigung zu jungen Blondinen wirkt im Alter immer unwürdiger. Doch Hefner schart unverdrossen platinblonde, großbusige Frauen um sich, die seine Enkelinnen sein könnten. Viagra preist er als Jahrhunderterfindung. "Das ist die beste Freizeitdroge, die es gibt - und sie ist legal", schwärmt der 73-Jährige 1999. "Und wenn du dich mit drei Ladys triffst, ist das wirklich toll."

Anfang des Jahrtausends zeigt er sich mit den Zwillingen Sandy und Mandy Bentley, Jahrgang 1978, hinzu gesellen sich Brandy und weitere "Playmates". Die Girls am Pool, die Girls beim Shoppen, die Girls in der "Mansion": Das ist der Kern der TV-Show "Girls of the Playboy Mansion". Dass sich im Zeitalter von Internetp*rnos noch jemand aus libidinösen Gründen dafür interessiert, glauben selbst die Produzenten der Reality-Soap nicht: Das Zielpublikum sind weibliche Teenager, die gerne Casting-Shows schauen - demensprechend sind blanke Brüste nur verpixelt zu sehen.

Nachdem die "Playboy"-Aktie auf Werte zwischen 4 und 5 Dollar gesunken ist, sieht sich Hefner mit Anteilseignern konfrontiert, die nicht mehr hinnehmen wollten, dass er jährlich zweieinhalb Millionen Dollar für sein süßes Leben in der "Mansion" verjubelt. Hefner, der 70 Prozent der "Playboy"-Anteile hält, kauft im Januar 2011 die restlichen 30 Prozent auf.

Mit dieser Entscheidung rettet er, was ihm zeitlebens das Wichtigste war: die Flucht in seine luxuriöse, sinnenfrohe Parallelwelt. Ende 2012 heiratet er Crystal Harris, 24 Jahre alt und - selbstverständlich - blond. Die 2015 getroffene Entscheidung, keine Nacktfotos mehr zu zeigen, wurde schnell revidiert. Hefner war ein cleverer Selbstvermarkter, aber auch ein leidenschaftlicher Träumer.

"Ich habe mich immer unvollständig gefühlt, wenn ich nicht verliebt war", resümiert Hefner im Dokumentarfilm "Hugh Hefner - Playboy, Activist and Rebel" von 2010. "Ich bin in einem typischen Methodisten-Haushalt im Mittleren Westen aufgewachsen und habe mich von klein auf in Träume und Fantasien geflüchtet."

Nun ist Hugh Hefner im Alter von 91 Jahren in seinem Haus gestorben, friedlich und im Kreise seiner Lieben. Seine letzte Ruhestätte könnte passender nicht sein: Schon vor Jahrzehnten hat Hugh Hefner auf dem Friedhof in Westwood, Los Angeles eine Krypta neben der von Marilyn Monroe gekauft.

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Author: Pres. Lawanda Wiegand

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